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40 Jahre – ein halbes Leben …

... in der Lukaskirchengemeinde. Ein Rückblick von KMD Thomas Neuhoff.

Thomas Neuhoff, 2010
Thomas Neuhoff, 2010
Bereits 1982 hatte ich einen „Erstkontakt“ mit Lukas, und zwar als Orgelvertretung für die damalige Kantorin Angelika Lutz-Fischer, mit der ich in Köln zusammen Kirchenmusik studiert hatte. Auf diese Weise begegnete ich den Pfarrerinnen Barbara Kabel und Hilde Kirsch-Schäfer sowie den Pfarrern Rolf Schleßmann, Klaus Schäfer und Ulrich Thomas schon lange vor meiner offiziellen Bewerbung auf die Kantorenstelle, die 1983 ausgeschrieben wurde und auf die ich mich, 26 Jahre alt und gerade Vater geworden, bewarb, obwohl mein Zweitstudium (Behinderten-Pädagogik und Musiktherapie) noch gar nicht beendet war.

An mein Probedirigat (samt Orgelspiel auf der wunderbaren Klais-Orgel) erinnere ich mich noch sehr gut, zur Chorprobe brachte ich auch meine Gitarre mit und sang mit der Kantorei (damals noch „Auerberger Singgemeinschaft“) neben vorgeschriebenen Stücken auch ein Lied meiner Wahl, das jetzt gerade leider wieder aktuell ist: „Unfriede herrscht auf der Erde“.

Nachdem ich (angeblich besonders wegen meines Orgelspiels) den Zuschlag erhalten hatte und im September 1983 in mein Amt eingeführt worden war, entwickelte sich die Chormusik schnell zum Schwerpunkt meiner Arbeit. Kinderchor, Jugendchor und die umgetaufte „Auerberger Kantorei“ wollte ich, der Enkel eines Kirchenmusikdirektors, jetzt selbst mit meiner Musikbegeisterung infizieren. Die Lukaskirche war ja meine erste hauptamtliche Stelle, ich hatte noch wenig Dirigier-Erfahrung und doch so viel großartige Kirchenmusik auf meiner Wunschliste ...

Probe zum Weihnachtsoratorium. Lukaskirche Bonn, 1984.
Ein Meilenstein: Die erste Aufführung von Bachs WEIHNACHTS-ORATORIUM im Advent 1984 in der übervollen Lukaskirche. Nach monatelanger Probenarbeit gelang es uns, die Gemeinde regelrecht zu begeistern, und das Presbyterium schrieb mir in einem Dankesbrief, dass es so etwas noch nie in Lukas gegeben habe. Einer unserer Solisten war übrigens der Tenor Christoph Prégardien, der später Weltkarriere machte.

1985-1989 folgten DIE SCHÖPFUNG von Haydn (auch als Gastspiel in Oxford), Händels MESSIAS, Mendelssohns ELIAS und das BRAHMS-REQUIEM. Wegen des gewachsenen Publikumsinteresses wurde jeweils nach der Aufführung in der Lukaskirche zwei Tage später eine weitere in St. Maria Magdalena, Endenich, angesetzt. Es war der Beginn einer schönen ökumenischen Kooperation, konsequent erweitert um die Gemeinden St. Hedwig, St. Bernhard und St. Marien.

Viele Jubelchöre wie „Halleluja“ oder „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ hatten wir vorab schon in diversen Gottesdiensten erklingen lassen, auch im Evangelischen Gemeindeforum Auerberg, der beliebten Heimstätte der Kantorei. Die Pfarrerinnen und Pfarrer griffen dabei meine Vorschläge zur musikalischen Gottesdienstgestaltung immer gerne auf. Wenn ich auf Kirchenmusik-Konventen aus dem Kollegenkreis von teils gravierenden Zusammenarbeits- Problemen hörte, musste ich mir heimlich gratulieren, wie angenehm doch meine Kooperation mit der jeweiligen Gottesdienstleitung in unserer Gemeinde war, und das ist bis heute so geblieben!

Manchmal kamen auch ungewöhnliche Impulse von der theologischen Seite: So bat mich Pfarrer Siegfried Virgils einmal, in einem Gottesdienst des Arbeitskreises Leningrad/St. Petersburg auf der Orgel Themen aus Schostakowitschs LENINGRADER SINFONIE zu musizieren, eine echte Herausforderung für mich, spieltechnisch und emotional, wird doch hier die 900 Tage lange Belagerung der Stadt durch die Deutschen dargestellt!

Dagegen war der Beatles-Song PENNY LANE ein zwar ungewöhnlicher, aber leicht zu erfüllender Wunsch eines Hochzeitspaares. Die Idee eines (nur recht kurz bei uns tätigen) Pfarrers allerdings, zum Abendmahl DRINK DOCH ENE MET zu singen, konnte ich zum Glück irgendwie vereiteln...

Damals gab es in unserer Gemeinde an jedem Sonntag zwei Gottesdienste (Lukas 10:00h und Forum 10:30h), deshalb konnte ich als Organist nicht alle Gottesdienste selber spielen, mit Ute Stockinger hatte ich eine kompetente und äußerst liebenswerte Assistentin. Im Forum spielte ich in der Regel nur den Familiengottesdienst am letzten Sonntag des Monats (zehn Tage vorher wurde dieser im Hause Schleßmann von einer riesigen Vorbereitungsgruppe geplant), alle anderen Sonntage war ich in Lukas beschäftigt. Dafür gab es im Forum aber Besonderheiten wie Feierabendmahl am Samstag Abend, Gottesdienste für Menschen mit Behinderungen und regelmäßig mitten in der Woche Kindergottesdienste am Nachmittag!

Später wurde auf meinen Wunsch ein anderes Gottesdienst-Modell gefunden, das es mir ermöglichte, jeden Sonntag nacheinander in Lukas und im Forum zu spielen. Das klappte immer dann gut, wenn auch die Gottesdienstleitung für beide Termine in einer Hand lag. Aber wehe, wenn am gleichen Vormittag unterschiedliche und auch noch wortgewaltige Geistliche beteiligt waren, da konnte die Zeit für die Fahrt von der einen Predigstätte zur anderen extrem knapp werden. Einige Male bin ich doch glatt zu spät gekommen – oder musste den ersten Gottesdienst vorzeitig verlassen, um im zweiten pünktlich zu sein ...

Von Anfang an waren Kinderchöre ein Pfeiler meiner Arbeit, in Lukas wurden mir Kinder oft direkt aus dem Hort vermittelt, von Waltraud Mertens, Birgit Kruse und Gabi Weinreis. Auch die Kinder von Küster Friedhelm Lehrmann und von der späteren Forums-Hausmeisterin Renate Vogel waren darunter. Und der komplette Nachwuchs von Pfarrer Thomas, der mir auch Gelegenheit gab, singende Kinder in seinen äußerst beliebten Familiengottesdiensten zu präsentieren.

Sobald meine eigenen Kinder in die Auerberger Bernhardschule gingen, war es leicht, auch dort Kontakte zu knüpfen und neue Mitglieder für den Forums-Kinderchor zu gewinnen. Von meiner Vorgängerin hatte ich einen Jugendchor übernommen, der sich schließlich in die Kantorei integrieren ließ und dort zu einer enormen Verjüngungswelle führte: auf einmal kamen aus ganz Bonn Leute, besonders Studentinnen und Studenten zum Singen, Geselligkeit und Ökumene waren groß geschrieben und die ganze Organisation übernahmen meine wunderbaren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Else Nehm und Irmgard Friedrichs (heute erledigen das Bärbel und Friedhelm Schick).

Auf der anderen Seite gab es die sangeslustigen Seniorengruppen, mit denen ich schon damals immer gerne alte Volkslieder schmetterte. Und wir sangen alte Schlager, besonders die der 20er Jahre, im Forum unter der Regie unserer einmaligen Schwester Gertrud Barnstein, mit der bewundernswerten Elisabeth Paulus als Solistin, die noch als über 90-jährige alle Texte auswendig kannte und sich manchmal mit mir für unsere Auftritte regelrecht „in Schale schmiss“: Den Zylinder zu meinem Frack stellte dann Elke Schomerus zur Verfügung!

Eine Forums-Besonderheit waren auch die „Miniaturen“, Literatur-Musik-Abende mit Susanne und Ludwig Egener sowie Doris Meyer, aus denen sich schließlich die Reihe der Musikalisch-Literarischen Matineen und Soireen entwickelte, die wir auch in den Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses exportierten.

Neben dem vielfältigen Gemeindeleben gab mir die Kirchengemeinde aber auch genügend Freiheiten zur künstlerischen Arbeit eines Chorleiters und Dirigenten. Für lange Jahre war ich gleichzeitig Chordirektor des Philharmonischen Chores der Stadt Bonn, der auch im Lukas-Saal probte. Eine im wahrsten Sinne des Wortes „klassische“ Win-win Situation!

In den Jahren 1990-2001 faszinierten mich die gesellschaftspolitische Relevanz von Kirchenmusik und das Ineinanderwirken von Theologie und Musik zunehmend und beeinflussten die Planung meiner Projekte, die von der Kirchengemeinde ideell immer mitgetragen, wenngleich nicht finanziert wurden: Der Gemeinde-Etat wurde immer knapper, dafür wuchs ein spendenkräftiger Freundeskreis für Kirchenmusik, der neben der sonntäglichen Kirchenmusik auch Konzerte und anstehende Reisen unterstützte.

"Durch die Augen singen!" Potsdam, 1994.
Der Fall der Mauer führte dazu, dass die 1988 von Superintendent Schleßmann vermittetlte Partnerschaft der Auerberger Kantorei mit dem Oratorienchor Potsdam konkrete Gestalt annehmen konnte: Im Frühjahr 1990 reiste die Kantorei nach Potsdam, wurde beim Partnerchor privat untergebracht und musizierte mit dem dortigen Theater-Orchester unter meiner Leitung in der Friedenskirche Sanssouci Mendelssohns ELIAS, live übertragen durch Rias Berlin. Ein unbeschreiblicher Höhepunkt für alle, die dabei waren. Ein Jahr später kam es zum Gegenbesuch der Potsdamer in Bonn mit Bachs MATTHÄUSPASSION, dirigiert von KMD Matthias Jacob, mit dem ich bis heute befreundet bin!

1994 reiste die Kantorei erneut nach Potsdam, um Bachs JOHANNESPASSION aufzuführen, kontrastiert durch Schönbergs EIN ÜBERLEBENDER AUS WARSCHAU, ein nicht unprovokativer Versuch: Ich wollte den latent judenfeindlichen Evangeliumstext bewusst konterkarieren mit dem von Schönberg vertonten jüdischen Glaubensbekenntnis SH’MA ISRAEL, platziert genau an der Stelle, die bei Bach für die Predigt vorgesehen war. Die Kritik in der Potsdamer Zeitung war vernichtend, die Publikumsresonanz hingegen durchaus gut, besonders auch in Nauen, unserer Partnergemeinde, wo eine zweite Aufführung stattfand.

Antijudaismus im Johannesevangelium und in der Passions-Vertonung von Bach war dann auch Thema an mehreren Karfreitagen, an denen wir in der Lukaskirche die JOHANNESPASSION im Rahmen des Gottesdienstes aufführten, so wie einst bei Bach in Leipzig. Als Siegfried Virgils die Predigt dazu hielt, wurde diese von manchen als eine Provokation aufgenommen, nie zuvor hatte ich die Gemeinde derart diskutieren und streiten erlebt, lange stand man vor der Kirche und unterhielt sich – nicht etwa über die Musik oder die Aufführung, sondern über die Predigt, über Kreuzestheologie!

Ähnliches habe ich dann noch einmal nach Bachs MARKUSPASSION am Karfreitag 2001 erlebt, mit demselben Prediger, der (nicht nur) mich damals begeisterte, der aber eben auch polarisierte. Völlig konfliktfrei waren dagegen die Aufführungen von Bachs WEIHNACHTSORATORIUM, die wir in diesen Jahren mehrfach am Heilig Abend zu später Stunde sangen, allerdings hatte ich dadurch noch weniger Zeit für meine Frau und die Kinder an diesem „Familienfest“.

In unserer ambitionierten Reihe KONZERTE GEGEN DAS VERGESSEN gab es alleine drei Aufführungen des Pogromnacht-Oratoriums A CHILD OF OUR TIME von Michael Tippett: 1993 wurde es mit Bernsteins CHICHESTER PSALMS (in hebräischer Sprache) kombiniert und brachte uns eine unvergessliche Begegnung mit dem Philharmonischen Chor aus Tel Aviv, seither gehört auch das Lied „Shalom aleichem“ zum Standardrepertoire der Kantorei.

Unter den Zuhörern war Michael Schäfer, der kurz darauf unser neuer Pfarrer werden sollte, für mich als Kantor ein Glücksfall, weil er kirchenmusikalisch sehr interessiert und gebildet war, außerdem ein richtig guter Tenor! Bei den erneuten Aufführungen 1998 und 2003 sang er dann mit und begründete mit mir die Tradition theologisch-musikalischer Einführungsveranstaltungen vor großen Konzerten, wie etwa der Apokalypse-Vertonung DAS BUCH MIT SIEBEN SIEGELN von Franz Schmidt (1996, 1998, später auch zum Evangelischen Kirchentag 2007 in der Kölner Philharmonie) oder Frank Martins Waffenstillstands-Oratorium IN TERRA PAX (2000).

Ab 2002 musste mich die Lukasgemeinde zwar manchmal entbehren, weil ich - nachdem meine Kinder groß geworden waren- zusätzlich die künstlerische Leitung des Bach-Vereins Köln übernahm. Allerdings profitierte sie auch sehr von dem Synergie-Effekt: Die LANGE MOZART-NACHT (2006) und die LANGE SCHUMANN-NACHT (2010) hätten niemals von der Kantorei und Gemeinde alleine getragen werden können, da bot sich die Zusammenarbeit mit Philharmonischem Chor und Bach-Verein förmlich an. Alle Räumlichkeiten im Lukas-Zentrum wurden bei diesen Gelegenheiten genutzt, neben Musik und Lesungen gab es köstliche Buffets für Hunderte von Besuchern, von Kantorei-Mitgliedern unter der Regie von Rose Wolfgarten liebevoll angerichtet!

Insbesondere für die Kinder- und Jugendchöre zahlte sich diese neue Köln-Bonner Achse aus, da meine Konzertchöre enorme Stiftungsgelder für Schülerprojekte akquirieren konnten und die Finanzierung aller im Folgenden genannten Konzerte übernahmen (der Kirchenmusik-Etat für solche Angelegenheiten war inzwischen auf Null geschrumpft).

Thomas Neuhoff und Ludwig Egener bei der Vorbereitung eines Familiengottesdienstes zu "Noah und die Flut". Bonn, 2006.
Ich denke besonders gerne zurück an ein musikpädagogisch konzipiertes Werk von Benjamin Britten: NOAH UND DIE FLUT (2005 erstmals, Wiederholung in den Folgejahren). Kinder werden hier auf differenzierteste Weise angesprochen und in ihrer jeweiligen musikalischen Begabung und Entwicklung individuell gefördert, vom Anfänger bis zum Hochbegabten arbeiten alle am gleichen Projekt. Bei dieser Produktion wurde mir so richtig klar, welch enorme Talente sich unter „meinen“ Kindern befanden. Es war einfach beglückend, die Entwicklung von Jugendlichen zu sehen, die als kleine Kinder im Lukas-Kinderchor angefangen hatten und dann eine echte Beziehung zum Gesang pflegten. Für manche wurde die Musik sogar zum Beruf und ich freue mich, dass einige von ihnen bei den letzten musikalischen Veranstaltungen vor meinem Ruhestand dabei sein werden, wie die Cellistin Sofia von Freydorf, die Sopranistin Hannah Kötting (geb. Kirrinnis) und der Bariton Frederik Schauhoff .

Proben zu "Die Mädchen aus Theresienstadt". Bonn, 2010.
In der Blütezeit unseres Jugendchores wurde das Ensemble mit der eigens für uns komponierten und 2010 im Lukas-Saal uraufgeführten Kammer-Oper DIE MÄDCHEN VON THERESIENSTADT von David Graham überregional bekannt (Gastspiele im Haus der Geschichte, in Köln, Aachen und Berlin).

Kooperationen mit der Hauptschule am Römerkastell und insbesondere mit der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule ermöglichten zudem eine intensive Nachwuchsförderung, die weit über den gemeindlichen Rahmen hinaus ging, wenngleich die Lukaskirche selbst immer das Zentrum blieb, von dem aus die Projekte in die Region strahlten. Brittens SAINT NICOLAS- Kantate über den Heiligen Nikolaus (2014) wurde – auch dank der exzellenten pädagogischen Ideen meiner Mitarbeiterin Eva de Voss - vom Bonner General-Anzeiger geradezu hymnisch gefeiert: „Wunderbar, wunderbar, wunderbar. Man kann gar nicht oft genug betonen, wie herausragend ein Projekt wie jenes in der Lukaskirche ist...“ (eine der wenigen Kritiken, die ich aufbewahrt habe).

Die Jugendlichen traten unter meiner Leitung auch mehrfach in der Kölner Philharmonie auf, zuerst mit der in Theresienstadt komponierten Kinderoper BRUNDIBAR, dann in Händels ISRAEL IN EGYPT, schließlich – gemeinsam mit dem Gürzenich-Orchester - in Honeggers WEIHNACHTSKANTATE und Bernsteins MASS. Höhepunkt war für den Jugendchor die Mitwirkung bei Brittens WAR REQUIEM 2018 in der Kölner und Berliner Philharmonie sowie in Wroclaw (Breslau), ein Projekt in Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkrieges gemeinsam mit 300 Jugendlichen aus ganz Europa, für mich selbst auch der Gipfel meiner dirigentischen und musikpädagogischen Laufbahn.

Von all diesen Aktivitäten konnte die Gemeinde in Gottesdiensten vorab Kostproben erleben, außerdem fanden umfangreiche Begleitprogramme in unseren Räumlichkeiten statt (selbst die Kapelle der LVR-Klinik wurde uns einmal von Pfarrerin Ute Schroller dafür vermittelt).

Der Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 verhinderte leider das zu meinem Abschied vom Bach-Verein in Köln geplante und mit 150 Jugendlichen aus dem ganzen Rheinland bereits aufführungsfertig geprobte Projekt SONG OF DEMOCRACY von Howard Hanson und hatte auch starken Einfluss auf die Entwicklung der gesamten Kirchenmusik, denn plötzlich durften weder die Gemeinde noch die Chöre singen und ich musste meine gesamte Arbeit auf solistische und instrumentale Musik im Gottesdienst umstellen, von Konzerten war gar keine Rede mehr ...

Sumi Hwang, Thomas Neuhoff. Probenfoto 2019. Foto: Ieva Kloka.
Sumi Hwang, Thomas Neuhoff. Probenfoto 2019. Foto: Ieva Kloka.
Durch äußerst großzügige private Spenden wurde es möglich, über Monate hinweg freischaffende Musikerinnen und Musiker in unseren Gottesdiensten zu beschäftigen, die sehr darauf angewiesen waren, und fast jeder Sonntag wurde so zu einem kleinen Kantaten-Gottesdienst. Die Musik meines Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach rückte nun noch mehr in den Fokus, nachdem sich in den Jahren zuvor die Kantorei schon auf einen Zyklus von BACH-KANTATEN konzentriert hatte, die ganz im Sinne des Komponisten im Gottesdienst aufgeführt und theologisch beleuchtet wurden, mehrfach auch durch unsere damals neue Pfarrerin Michaela Schuster. Zur Durchführung dieser Reihe war sogar eigens wieder ein kleiner Etatposten eingeführt worden!

Sumi Hwang (Sopran), Christoph Aißlinger (Viola d'amore) und Thomas Neuhoff (Orgel), Lukaskirche Bonn, August 2020
Sumi Hwang (Sopran), Christoph Aißlinger (Viola d'amore) und Thomas Neuhoff (Orgel), Lukaskirche Bonn, August 2020
Aber auf einmal musste ich manch geplante Kantate notgedrungen mit 4 (frisch getesteten) Solisten aufführen (statt Chor) und das Orchester auf eine Minibesetzung reduzieren. Viele hervorragende Künstlerinnen und Künstler, mit denen ich vorher auf großen Konzertpodien gearbeitet hatte, aber auch junge Instrumentalisten aus dem Bundesjugendorchester, die dringend Spiel-Praxis brauchten und langjährige musikalische Partner wie die Sopranistin Annett Reischert-Bruckmann und der Bratscher Christoph Aißlinger - sie alle kamen jetzt regelmäßig in unsere Lukaskirche, bereicherten die Gottesdienste, waren dankbar und glücklich über den herzlichen Empfang und wurden zusätzlich entschädigt durch die Bild/Tonaufnahmen, die unser Hausmeister Aivars Kloks mit seiner Familie auf zunehmend professionelle Weise herstellte.

Inzwischen erleben wir, was die Pandemie angeht, eine schrittweise Normalisierung, es darf wieder mehr gesungen werden, aber leider gilt auch ganz bedrohlich: „Unfriede herrscht auf der Erde“. So habe ich in meinen letzten Monaten als Lukas-Kantor versucht, eine Synthese herzustellen aus Jubelgesängen wie „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“ (diese Bach-Kantate erklang mit der Kantorei am 2.Oktober) und Nachdenklichem wie dem erwähnten israelischen Friedenslied, das auch bei meinem Abschiedsgottesdienst am ersten Advent erklingen wird und mit dem ich Sie, liebe Gemeinde, grüßen möchte:

Shalom aleichem!